Rückblick Schnittkurs unter den Jahren 2024

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29.12.2024

Wie schneide ich einen alten Apfelbaum? Schnittunterweisung in Urbach!

Zum Jahresende fand eine Schnittunterweisung an einem lebenden Objekt statt – in Urbach am Linsenberg, mit dem Lernziel: Wie schneide ich einen alten Apfelbaum? Nein, nicht „wie schneide ich ihn richtig“, da es viele Varianten gibt, sondern: Wie kann der alte Baum beispielhaft geschnitten werden?
Der Obst- und Gartenbauverein Urbach hatte eingeladen. In solch einem Fall sollte man nicht zögern, sondern entschließen, teilzunehmen, weil es sich lohnt.
Vom Treffpunkt bei Holzbau Kurz aus zogen bei kaltem, aber sonnigem Wetter rund 50 Personen zu Fuß Richtung Weinberg, eingebettet in Urbacher Streuobstwiesen. Die Teilnehmer marschierten so zahlreich, dass man meinen konnte, der Schwäbische Albverein sei unterwegs.
Der Fachwart Armin Hickl war als Referent geladen. Unter den Teilnehmern waren bekannte sowie neue Gesichter. Viele Fachleute nutzten die Gelegenheit, ihr Wissen aufzufrischen – vorausgesetzt, sie waren nicht beratungsresistent, sondern lernfähig. Für viele gehört solch ein Termin zum traditionellen Jahreswechsel. Die jüngste Teilnehmerin – noch nichtsahnend – lag mit Schnuller im Kinderwagen, war aber immerhin bereits Vereinsmitglied. Nebenbei bemerkt: Das ist ein neuer Trend in Urbach. Die Großeltern melden ihre Enkel schon einen halben Tag nach der Geburt im Verein an!
Der Referent war mit einem neuen, stattlichen Traktor angereist – Hobby eben – und hatte Gerätschaften wie einen elektrischen Hochentaster der weltberühmten Waiblinger Firma dabei. Dazu kamen eine Baumschere mit Verlängerung, eine Krummsäge und eine alte Holzleiter mit zwei Stützbeinen. Ein Teilnehmer meinte naseweis, die Leiter sei laut Berufsgenossenschaft verboten. Doch hier, auf der Urbacher Streuobstwiese, ist das nicht relevant – hier geht es um die Hauptsache.
Für die Fachleute war das Vokabular des Referenten nichts Neues. Ein Ausschnitt zum Fachlichen: Mit dem Hochentaster wurden zuerst vier scharfe Schnitte gemacht, um dickes, trockenes Holz zu entfernen. Danach kam die Handsäge zum Einsatz, um auszulichten. Mit der Baumschere wurden vorn an den Zweigen Luft geschaffen, Gewicht reduziert, aber Blütenansätze bewusst erhalten. Wenn drei Zweige konkurrieren, wird der obere entfernt – er macht Schatten.
Zwischendurch stieg Hickl von der Leiter, um den Baum aus einer anderen Perspektive zu betrachten, bevor er erneut hinaufstieg, um nachzuarbeiten. „Den Baum nicht abrasieren, sondern anregen, neue Triebe zu bilden. Nicht zu scharf schneiden, um Wasserschosse im nächsten Jahr zu vermeiden – der Baum soll nicht explodieren.“
Hickl bevorzugt Leiter und Säge gegenüber dem Hochentaster, um dem Baum keine zu großen Wunden zuzufügen. „Da oben sollte man nicht nur schnipseln, sondern gezielt arbeiten, sonst gibt es nächstes Jahr einen Blumenstrauß.“ 2. Teil folgt.
Ein Teilnehmer erwähnte Karl Marx, der gesagt habe: „Beim Schneiden eines alten Baumes lass die Schere zu Hause und nimm die Säge mit.“ Hickl stimmte grundsätzlich zu, doch manchmal überwältigt ihn die Ästhetik, und er entfernt dennoch ein Ästchen mit der Rebschere.
Äste werden sauber abgesägt, sonst könnten neue Triebe entstehen. Konkurrenzäste werden entfernt, nach innen wachsende Zweige ebenso. Hängende Zweige müssen weg, da sie abgetragen sind. „Nach oben erziehen“, lautet das Ziel – der Hut soll nicht am Ast hängen bleiben. Hickl bringt Licht in den Baum und regt durch den Schnitt neues Wachstum an. In der Mitte wurde morsches Holz entfernt – mit Ausnahme von Spechtwohnungen. Die morsche Spitze wurde stark eingekürzt, während eine neue Spitze eine Chance zur Entwicklung erhielt. Im nächsten Jahr wird man sehen!
Zaghafte Fragen von Neulingen konnten meist von erfahrenen Teilnehmern beantwortet werden. Der Referent konnte in Ruhe weiterarbeiten. Bei direkten Fragen parierte er souverän – und setzte keine unnötigen Schnitte, denn seine Worte und Taten galten.
Für solch einen Baum rechnet Hickl normalerweise 30 Minuten, doch für die interessierten Teilnehmer nahm er sich 1,5 Stunden Zeit.
Am Ende lagen große Haufen Äste um den Baum, der sich nun wieder sehen lassen kann. Zum Ausklang gab es kalten Apfel-Birnen-Most, gespendet vom Unterzeichner. Getrunken wurde er von denen, die der Kälte trotzten.
Die Veranstaltung war kostenlos und ehrenamtlich organisiert. So sind wir hier im Remstal – überparteilich und unideologisch. Wer nicht dabei war, hat etwas verpasst – vielleicht nächstes Jahr.


Dr. Knapp (Schriftführer OGV Urbach)